Was Hernien mit Hollywood und Botox zu tun haben

Wer denkt bei Botox nicht zuerst an Hollywood-Schönheiten mit merkwürdig starren Gesichtsausdrücken? Dabei ist Botox, kurz für Botulinumtoxin, gar kein Wundermittel, das Fältchen wie durch ein Wunder verschwinden lässt. Wie das “toxin” im Namen schon verrät, handelt es sich vielmehr um ein sehr starkes Nervengift. Ein Forscherteam errechnete 2004, dass nur 1 g Botulinumtoxin 100.000 Menschen töten könnte (Quelle). Im 1. Weltkrieg wurde das Gift auch als biologische Waffe eingesetzt.

Was ist ein Nervengift?

Das Gift wirkt sich auf die Erregungsübertragung von Nervenzellen aus und hemmt sozusagen deren Kommunikationsfähigkeit. Genau das ist jedoch die Hauptfunktion von Nervenzellen: Sie geben einerseits sensorische Reize an das Gehirn weiter, wie etwa Wärme oder Kälte, und übermitteln andererseits die Befehle des Gehirns an die Organe, z. B. an die Muskeln.

Botox beeinflusst speziell die Übertragung der Impulse von den Nervenzellen zu den Muskeln. Das bedeutet also, dass die Muskeln die Befehle von Gehirn oder Rückenmark nicht mehr erhalten. Sie verrichten ihre Aufgabe nicht mehr und entspannen sich. Im schlimmsten Fall versagt bei einer Botoxvergiftung die Lungenfunktion.

Wirkung von Botox in der Medizin

Warum also findet das hochgiftige Botox auch in der Medizin Anwendung? In geringsten Mengen und lokal verabreicht hemmt das Gift lediglich die Muskelspannung. In der Beauty-Branche ist dieser Effekt sehr populär – viele Menschen nutzen ihn als eine Art optische Verjüngungskur des Gesichts.

Gelöste Muskeln führen zu einem entspannten Gesichtsausdruck und geglätteten Falten. Dass es dabei auf die richtige Dosierung ankommt, erkennt man daran, dass einige prominente Gesichter durch ihre Botox-Behandlung einen viel zu starren, miniklosen Gesichtsausdruck haben und dadurch unnatürlich wirken.

Botox in der Hernienchirurgie

Doch was hat nun Botox mit Hernien zu tun?

Ein Krankenhaus in Neuss (bei Düsseldorf) verwendet Botox seit kurzem auch vor der Operation sehr großer Hernien (Riesen-Hernien), um das Operationsrisiko zu verringern. Das Problem bei sehr großen Hernien ist, dass sich die Bauchdecke und die Muskulatur an die durch die Bruchpforte weit heraustretenden Organe angepasst haben. Das Zurückdrücken der Organe in die Bauchhöhle ist dann weniger erfolgreich, da die geweitete Bauchmuskulatur keine ausreichend schützende Barriere bildet, um die Organe im Bauchraum festzuhalten.

Die Ärzte des Neusser Krankenhauses injizieren dem Hernien-Patienten daher bereits zwei Wochen im Voraus Botox in mehrere Schichten der Bauchdecke. So entspannt sich die Muskulatur und die Organe lassen sich in diesem Zustand einfacher an die richtige Stelle zurückschieben. Mit dieser Methode wird auch die anschließende Operation besser vorbereitet, weil damit genügend Platz durch die entspannten Muskeln gewonnen wurde. Während der Operation haben die Ärzte nun genügend Platz, um die Hernie in den Bauchraum zurückzuverlagern und die Bruchpforte mit einem Netz zu verschließen.

Der Botox-Effekt verschwindet automatisch nach wenigen Monaten wieder, und dann ziehen sich auch die Bauchmuskeln wieder zusammen. So stabilisieren die Muskeln die Schwachstelle in der Bauchwand und der Bruch kann auf diese Weise besser verheilen.

Großes Interesse in der Fachwelt

Die Mediziner aus Neuss haben ihre neue Methode, die sie BUBI (Botox-unterstützte Bauchwandrekonstruktion) nennen, bereits mehrfach erprobt und 2017 auf verschiedenen Fachkongressen vorgestellt. Dadurch wurden weitere Spezialisten weltweit auf die BUBI-Methode bei Hernien-Operationen aufmerksam und etablierten sie in ihren eigenen Kliniken. Zurecht sind die Neusser Hernien-Experten stolz auf ihre bahnbrechende Entdeckung!


von Die Redaktion. 18.11.2017